Geschichten und Anekdoten von Kameradinnen

und Kameraden aus ihrer Marine- und Folgezeit

 

Liebe Kameradinnen und Kameraden, an dieser Stelle möchten wir gern eine Sammlung von persönlichen Erlebnissen und Erfahrungen von Kameraden aus ihrer Dienstzeit bei der Marine erstellen und würden uns über Zusendungen eurer Geschichten und Anekdoten sehr freuen. Wer also eine schöne Geschichte

zu erzählen hat, kann sie uns unter folgender Email-Adresse oder dem darunter befindlichen Button zusenden:

 

anekdoten@freundeskreis-2schnellbootgeschwader.de

 

Seezielschiessen mit OGR7

von Lutz Knigge

 

Viele der Älteren werden Sie noch kennen, die gute alte optische Richtsäule OGR7. Nach meinem Kenntnisstand ursprünglich konzipiert für die 40mm Bofors Geschütze, um dem Richtschützen die lästige Kurbelei zu erleichtern. Sie wurde bei den Schnellbooten letztmalig in der Klasse 143 verbaut. Schon bei den 143A war sie nicht mehr vorgesehen. Sie hatte sich irgendwie auch überlebt. Sie war zwar ausgestattet mit einem eigenen kleinen Feuerleitrechner, aber dessen Konzeption stammte irgendwo aus den 60ern und wenn man sich überlegt, das der komplette Computer der Apollo 11, was die Rechenleistung angeht, einem heutigen Smartphone hoffnungslos unterlegen gewesen wäre, kann man sich vorstellen, wie akkurat und vor allem wie schnell dieser ‚Hochleistungscomputer‘ Vorhaltewinkel, Rohrerhöhung, Krängungsausgleich usw. zu berechnen in der Lage war.

Weil man das wusste, verzichtete man üblicherweise auf den Einsatz der Richtsäule. Das damals auf den S-Pützen verwendete Feuerleitsystem mit getrenntem Luftziel- und Seezielradar war für damalige Verhältnisse schon erstaunlich leistungsfähig. Nichtsdestotrotz war die OGR ein tolles Spielzeug für dienstfreie Crewmitglieder und war, wenn wir im Sommer durch den NOK geschleppt wurden, selten unbesetzt.

Aber wie das halt so ist bei den Streitkräften: Was da ist, muss auch getestet werden. Und so wurde eines Tages ein Seezielschissen mittels OGR7 angesetzt und OMt Knigge bekam als erster die ehrenvolle Aufgabe, ein solches als Schütze durchzuführen. Da man um die immense Leistungsfähigkeit des richtsäuleneigen FL-Rechners wusste, umging man diesen gleich völlig und ich wurde angewiesen, ein Kalibrierschiessen nach Ur-Grossvaters Sitte durchzuführen: Das hiess jeweils 3 Schuss, um die Deckung herzustellen. Erst dann wusste man ja, ob man kurz oder lang lag. Danach sollten dann ein paar Schüsse mit wechselnder Rohrerhöhung folgen, um die Reichweite einzustellen. Im Idealfall verzeichnete man dann Wirkungstreffer. Dieses Verfahren hat vielen Artillerie-Schützen über die Jahrzehnte zu Treffern verholfen und war so idiotensicher, dass es auch heute noch funktionieren müsste. Bei OMt Knigge war es leider nicht so: Nach Erteilung der Feuererlaubnis (3 Schuss Einzelfeuer auf erfasstes Seeziel-Feuer frei), rotzte ich drei Schuss mit Turm Alpha raus, starrte in die Optik der OGR und sah---Nichts!! Keine Wasserfontänen, kein Absaufen des Übungszieles, einfach nichts. Das Ziel dümpelte völlig unbeeindruckt in der sachten Dünung vor sich hin. In dem Moment sah ich im Augenwinkel, wie unser Schmadding, OBtsm Schreck (möge er in Frieden ruhen) offenkundig dem Herzinfarkt nahe wie Rumpelstilzchen über die Brücke hüpfte und unentwegt ‚HALT, HALT‘ schrie. Nun hatte er aber nicht die Rangabzeichen, mein Schiessen zu unterbrechen, die Feuererlaubnis musste mir schon der Kommandant oder wenigstens der IWO entziehen. Also feuerte ich weitere 3 Schüsse ab und sah—wieder nichts. Nach Auslösen des letzen Schusses hob ich den Kopf von der Optik und sah die letzte Granate noch, wie sie ca. 10m neben der Bordwand ins Wasser der Ostsee klatschte. Zwischenzeitlich hatte auch der Kommandant in der OPZ den Ernst der Lage erkannt und mir die Feuererlaubnis entzogen. Dies markierte überraschenderweise das Ende meines hoffnungsvollen Schiessens an diesem Tag. Wie sich später herausstellte, gab es eine Fehlfunktion im Feuerleitrechner der OGR, die, obwohl sie eigentlich gar nicht mitarbeiten sollte, die Berechnung der Rohrerhöhung mit falschen Vorzeichen durchführte. Zum krönenden Abschluss erlaubte sich unser Ari-Maat noch den Gag, den Turm statt wie sonst üblich einfach nach vorne in Ruhestellung zu fahren, diesen nach hinten an der Brücke vorbei zu steuern und so der Fahrstandsbesatzung einen Blick in das noch rauchende Rohr einer offenkundig fehlerbehafteten 76mm Oto Melara zu ermöglichen. Mir wurde berichtet, dass der Fahrstand in Sekundenbruchteilen entvölkert war und deren Besatzung sich geschlossen im STL versammelte. Das aber habe ich nur vom Hörensagen, weil ich zu dem Zeitpunkt ja noch in der OGR sass.

Wie das 2. SG. beinahe einen Leuchtturm versenkte

von Lutz Knigge

 

Das Ende des Jahres näherte sich mit großen Schritten und plötzlich fiel jemandem auf, dass sich damit auch das Mindesthaltbarkeitsdatum großer Mengen von Luftzielmunition näherte. Es wurde also kurzerhand ein großes Luftzielschiessen angesetzt. Folgerichtig wurde eine erkleckliche Menge von LZ-Munition gebunkert, und alle freuten sich, endlich mal schießen zu dürfen, bis die Rohre glühen. Normal musste ja immer Munition gespart werden. Also nichts wie Rufzeichen und F-H-G gesetzt und ab ins großdeutsche Schiessgebiet in der Ostsee, welches schon seit Kaiser’s Zeiten existiert (daher der Name) und im Norden bis an die dänische Grenze reicht. Das Wetter war, nun ja, suboptimal für ein Luftzielschiessen, um es vorsichtig auszudrücken. Die Sicht war mäßig und die Wolken hingen tief. Es brauchte mehrere Anläufe, bis man sicher sagen konnte, dass das Schleppflugzeug für den Luftsack ausser Gefahr war und somit das Schießen freigegeben werden konnte. Irgendwann war es dann aber soweit und es hieß Feuererlaubnis für Turm Alpha auf erfasstes Ziel.

Nebenbei bemerkt: Wer von der OPZ aus einmal das Rumsen eines 76mm Geschützes, nur durch ein Schott getrennt, miterlebt hat, wird es sein Leben lang nicht vergessen.

Woran aber irgendwie niemand gedacht hatte, war die Tatsache, dass auch LZ-Munition, die nicht trifft, einfach weiterfliegt, um dann, einer ballistischen Kurve folgend, irgendwo einzuschlagen. In diesem Fall befand sich am Ende dieser Kurve ein kleiner dänischer Leuchtturm. Dessen Leuchtturmwärter (ja, sowas gab‘s damals noch) zeigte sich etwas erstaunt ob der Einschläge rund um seinen Turm. Er fragte bei den dänischen Behörden nach, was es damit auf sich haben könnte, die wiederum nahmen Kontakt mit den deutschen Behörden auf und plötzlich wurde uns von höchster Stelle aus schlagartig die Feuererlaubnis entzogen. Heute kann man drüber lachen, aber damals war das sicher alles andere als witzig. Zum Glück gab es keine Verletzten und auch der kleine Leuchtturm überstand diesen ‚Angriff‘ völlig unbeschadet.

Der Vorfall betraf den Leuchtturm der Insel Møn. Der Wärter hatte zwar Einschläge am Strand gemeldet, im Nachhinein stellte sich dann aber heraus, der Leuchtturmwärter nur Angst bekommen hatte, weil er die Ballerei mitbekommen hatte. Wir waren alle weit genug von der Insel entfernt und es wurde gar nicht in Richtung Insel gegeben. Es hatte also keine direkten Einschläge auf der Insel gegeben.

 

Kleine Manövergeschichte

von Lutz Knigge

 

Ich erinnere mich an eine Nato-Übung gegen Ende der 70er Jahre. Die Lage war, dass ein befreundeter Verband die deutsche Bucht hochkommt und der böse Feind bei den englischen Inseln lauerte, um diesen abzufangen. Dem 2.SG war dabei die Rolle des Ritters in der goldenen Rüstung zugedacht, der den befreundeten Verband vor dem Aggressor schützen sollte.

Dazu waren wir in unserem 2. Heimathafen Frederikshavn stationiert, und zwar, wenn ich mich recht entsinne, tatsächlich ausnahmsweise mit allen 10 Booten. Das hatte damals durchaus Seltenheitswert, weil üblicherweise mindestens ein Boot in der Werft lag oder irgendwie anderweitig unpässlich war.

Wie es halt meistens war, fand diese Übung im Herbst statt, also dann, wenn die übelsten Stürme im Skagerrak tobten. So war es auch jetzt: Wer immer die Nase um Skagen herumsteckte kriegte so auf die Mütze, dass ein sinnvoller Einsatz aussichtslos erschien. Also mit allen Booten Wendung um die Hochachse und zurück in den gemütlichen dänischen Hafen.

Die Lage musste täglich neu aufgebaut werden und ebenso regelmäßig schickte unser Kommandeur ein Wetterboot hinaus, dass die Sturmlage sondieren sollte. Jedes dieser Boote kam mit derselben Nachricht zurück, dass sich nämlich an der Sturmlage nichts geändert hatte. Am vierten oder fünften Tag hatte der Manöverkommandeur die Schnauze voll und befahl dem gesamten 2. SG, auszulaufen und die gestellte Aufgabe zu erfüllen. Nun ja, Befehl ist Befehl und so lief das Geschwader aus, um den bösen Feind zu vertreiben. Es kam, wie es kommen musste: Wir kriegten mordsmörderlich aufs Näschen.

Unser Geschwaderkommandeur ließ daraufhin alle 10 Boote alles anstellen, was irgendwie strahlte, also das Feuerleitradar mit Querfeldvestärker, die Funkbuden mit größtmöglicher Leistung und selbst das Nav-Radar mit allem, was es drin hatte. Für die ESM-Operator muss es ausgesehen haben, als ob plötzlich jemand einen hell erleuchteten Tannenbaum ins Skagerrak gepflanzt hätte. Nach ein paar Minuten wurden alle Geräte gleichzeitig abgeschaltet, die kleinste Fahrstufe eingelegt und selbst die Navigationslichten wurden gelöscht, dabei wurde natürlich auch jede Formation aufgelöst und jedes Boot tuckerte gemütlich zurück nach Fittihaun. Zurück im Hafen hörten dann alle bloß noch den Funk ab, was ein Erlebnis für sich war: Wahrscheinlich ‚versenkte‘ der böse Feind jedes in der Nähe befindliche Fischerboot. Im Anschluss an diese Übung kursierte das Gerücht, dass unser Chef zum Manöverkommandeur einbestellt wurde, wo er sich einen kleinen Kurzlehrgang abholen durfte. Das wiederum durfte ihm am verlängerten Rückgrat vorbeigegangen sein, da er, soweit bekannt, ein schwerreicher Grossgrundbesitzer war, der seine Marinekarriere mehr oder weniger als Hobby ansah.

Anekdote Patenstadt-Besuch

von Rolf Kompenhans

 

Es gab einen Tag, an welchem sich eine Abordnung der Patenstadt von S-62 (Coesfeld im Münsterland) zu einem Besuch in Olpenitz angemeldet hat.

Der Tag begann um 06:00 Wecken und Frühstück, danach großes Reinschiff. Nachdem unser Boot eigentlich immer ziemlich reinlich war, waren wir schon gegen 11:00 vormittags fertig und es war Dienstschluß und Umziehen in Erste Geige.

Jeder hatte einen kleinen Auftrag zum Empfang der Patenstadt, sei es Tisch decken, Kaffee machen, Hilfe für die Damen zum Betreten des Bootes etc. Nun hatte der Nav die Aufgabe, zu einer Konditorei zu fahren und die bestellten 100 Stk „Windbeutel“ zu holen. Zuerst aber hatten wir eine kleine Warteschleife, denn der angekündigte Besuch hatte sich verspätet wegen Verkehrsproblemen, nun wir waren in freudiger Erwartung und wir nahmen zuerst einmal ein Bier. Es waren dann doch mehrere Bier und einer fragte den Nav, ob der denn überhaupt noch fahren könne…lächerlich !

Also fuhr ich zu besagter Konditorei und erledigte den Auftrag und kam auch unfallfrei zurück nach Olpenitz. In der Zwischenzeit war es den anderen etwas langweilig und die Seeziegen haben derweil die übrig liegenden Seil-Enden in schöne Schneckenform gerollt etc.

Als der Nav mit dem großen Kuchenblech über die Stelling kam, hatte irgend jemand ein Seil gespannt, welches dort vorher nicht lag. Weil man nicht durch ein Blech durchsehen kann, kam es wie es kommen mußte. Der Nav landete samt Kuchenblech auf der Fresse und die schönen Windbeutel lagen an Oberdeck.

Unter der Woche wäre das kein Problem gewesen, dann holt man halt neue. Diesmal jedoch war es bereits Samstag, die Konditorei bereits geschlossen und die hätten vielleicht noch 10 andere Windbeutel übrig gehabt, nicht diese große Anzahl von 100 Stk, welche bestellt waren.

Der Nav reinigte zuerst das Kuchenblech und einige Kameraden mußten das Oberdeck sperren für Besucher ! Mit einem Küchenmesser wurde die Schlagsahne auf die noch halbwegs brauchbaren Unterseiten der Windbeutel verteilt. Zuletzt wurden die Oberteile etwas in Form gebracht, frisch mit Puderzucker bestreut und die sahen fast aus wie neu ! Anhand meiner künstlerischen Note hatte der Nav der Außenseite der Schlagsahne per Messer verziert, daß es wie aussah, wie frisch aus der Spritzpistole. Dann mit dem Feuerlöschstrahl das Oberdeck gereinigt und keine Sau hatte es gemerkt.

An der Tafel war es schon sehr lustig, bei Kaffee und Kuchen und einem Bierchen, alle waren bester Laune und lobten die wahnsinnig gute Konditorei ! Während dem Sprechen mit vollem Mund unterbrach einer Gäste der Patenstadt seine Rede, nestelte in seinem Mund herum und zog einen 3 cm langen Spreisel der Fußmatte vom Oberdeck aus seinem Mund. Darauf kippte die Stimmung, was das Lob der Konditorei angeht. Saftladen, gehört angezeigt etc. Unerklärlich !!! Das ganze ist jetzt schon fast fünfzig Jahre her, aber der Nav lacht noch immer über diese Begebenheit, als wäre es gestern gewesen…

 

Liebe Grüße an alle Schnellbootfahrer

Nav S-62

 

Bericht vom 1. Treffen der Albatros – Besatzung

von 1973 und 1974

von Wolfgang Gerhardt

                                       

Wir Schnellbootfahrer sind schon ein seltsames Völkchen. 36 Jahre passiert garnix. Dann plötzlich fällt meinem Bordkammeraden Georg Rauch beim Auf – oder besser gesagt beim Umräumen eine alte vergilbte, kaum leserliche Besatzungsliste in die Hand.

 

Weiß der Teufel, wo er die her hatte. Er fängt an in alten Zeiten zu schwelgen und

beschließt Anfang 2010: „Ich könnte es ja mal versuchen“.

 

Da auf dieser Liste nur Namen stehen ohne Adresse, fängt „Schorsch“ an zu recherchieren. Er hängt sich ins Netz und telefoniert sich die Finger wund. Ich hatte mich schon 2008 in die Crewliste der Webseite vom Albatros, die von der

Marinekameradschaft Remscheid betrieben wird und auf der leider so gar nichts los war, eingetragen.

 

Am 08.02.1010, so gegen 17:30 Uhr klingelt mein Telefon. Ich geh dran und eine Stimme sagt, „Du rätst es nicht wer hier dran ist“. Und ob ihr es glaubt oder nicht, es war, als wäre die Zeit stehen geblieben. Schorsch war ganz schön platt, dass ich ihn sofort erkannt habe und es sprudelte aus ihm heraus.

 

Endlich habe ich dich gefunden, du alte Socke, du dreckiger Heizer du. Ich versuche die alten Kameraden wieder zu finden und ein Treffen zu organisieren. Wäre schön, wenn du mir ein bisschen helfen kannst.

 

Am ersten Juni Wochenende war es dann so weit. Schorsch hatte bei sich in der Nähe in einem Bildungszentrum von Verdi, in dem beschaulichem Städtchen Gladenbach in Hessen alles klar gemacht. Beim Einlaufen ist, und ich schäme mich nicht dafür, die eine oder andere Träne geflossen. 18 Kameraden, alle von unserem Jahrgang, sind aus der ganzen Republik gekommen und wir haben von Freitagnachmittag bis Sonntagmorgen nur erzählt, gezecht und keine Sekunde Langeweile gehabt. Ich hatte das Gefühl, wir würden morgen wieder „Seeklar machen“.

 

Für uns alle war es ein einmaliges Erlebnis, und wir waren uns einig, dass nächste Treffen findet in 2012 statt.

Der Sprung vom Boot

von Georg Rauch

 

Bei einem Anlegemanöver mit unserem Albatros in Wilhelmshaven, hatten wir sehr starken ablandigen Wind, sodass für unseren 1 WO (1 WO sollte auf Anordnung vom Kommandanten das Anlegen unter erschwerten Bedingungen lernen) zu einem Problem wurde.

 

Auf der Pier war auch keine Person die ein Wurfsack mit der Festmacherleine hätte entgegennehmen können. Da mein Platz bei einem Anlegemanöver auf der Back war, bekam ich mit, wie der 1 WO sagte: “Das hat so kein Zweck, es hilft uns nur, wenn einer überspringt“

 

Von der Back zu springen war eine riskante Sache, da die Back doch erheblich höher war wie die Pier.Von der Backbordseite dort wo der Einstieg ist, habe ich es dann versucht. Nachdem der 1 WO ein nochmaliges Anlegemanöver versuchte, sprang ich.

 

Dabei habe ich aber die Entfernung falsch berechnet und schaffte es nicht auf die Pier zu springen, sondern kam mit den Füßen gerade so auf die Kante der Pier. Diese Kante ist immer etwas erhöht, aus Eisen und meistens nass.

 

Von dieser Kante rutschte ich ab, konnte mich aber halb mit den Händen und halb mit den Ellenbogen abfangen, damit ich nicht ins Wasser gefallen bin. Bei diesem Abrutschen konnte ich es aber nicht vermeiden, dass ich bei dieser Wucht noch mit meinem Kopf auf diese aus Metal bestehenden abgerundeten Kante schlug. Dabei hatte ich mir meine Arbeitskleidung an der Pierwand so stark versaut, dass ich auch noch ein Waschtag einlegen musste.

 

Dadurch konnte ich die Festmacherleinen entgegennehmen und die Kameraden auf der Back und auf dem Achterdeck zogen mit Muskelkraft den Albatros an die Pier.

 

Ich hatte einige Zeit einen gewaltigen Brummschädel.

 

Ich weiß nicht warum ich gesprungen bin, ich habe auch nicht nachgedacht. Im Nachhinein, muss ich sagen, es war dumm von mir, denn bei einem Anlegemanöver zwischen Pier und Boot bei Schraubenbewegung zu kommen, kann im Gulasch enden.

 

Auf dem Achterdeck bekam ich vom Kommandanten vor versammelter Mannschaft eine Belobigung ausgesprochen, was die Kopfschmerzen und den Waschtag vergessen ließen. 

Bericht über Ereignis – Erinnerung zu Albatros – Zeiten

von Georg Rauch

 

Nach einem Zuhause – Wochenende musste meine Schwester den Ricardo ( Hugo Neumann) und mich wegen nicht vorhandenem Führerschein am Sonntag Nachmittag zum Bahnhof fahren.

 

Auf dem Weg zum Bahnhof bekamen wir einen platten Reifen. Der Reifenwechsel nahm wegen kaum vorhandenem Werkzeug längere Zeit in Anspruch, so dass wir es nicht mehr rechtzeitig zum Heimbahnhof in Marburg geschafft hätten.

 

Kurz Entschlossen haben wir Abkürzungen genommen, 3 Folgebahnhöfe ausgelassen und sind dann in Neustadt (Kreis Marburg) gerade noch rechtzeitig angekommen

 

Da wir immer für die Bahnfahrt eine Freifahrtkarte bekamen und diesen am Bahnhofschalter zu einer Bahnkarte umschreiben lassen mussten, nahm dieses immer eine gewisse Zeit in Anspruch.Am Bahnhofschalter sagte der Bedienstete, dass wir diesen Freifahrtschein im Zug umschreiben lassen sollen, denn wenn er das jetzt machen würde, würde der Zug wieder ohne uns losfahren.

Also Ricardo und ich ohne Fahrkarte in den Zug. Die Tür war noch nicht richtig hinter uns zu, fuhr der Zug schon ab in Richtung Kassel. Bis Kassel kam kein Schaffner und wir stiegen sofort in den Anschlusszug nach Hamburg.

 

Gegen Mitternacht kurz vor Hamburg Hauptbahnhof kam ein Schaffner der sich vermutlich nicht mehr diese Arbeit machen wollte und sagte uns, dass sein Kollege von Hamburg nach Kiel uns den Fahrschein umändern würde. Also Ricardo und ich in Hamburg Hauptbahnhof gleich wieder in den Anschlusszug nach Kiel, wieder ohne gültigen Fahrschein.

 

Zwischen Hamburg und Neumünster schliefen Ricardo und ich ein. !!!

 

Danach geschah das, was unglaublich klingt.

 

Ein Schaffner, welcher vermutlich nicht seinen besten Tag hatte, kam zu uns in das Abteil und rief Fahrkarten bitte. Ich, im Halbschlaf, reichte dem Schaffner meine noch nicht umgeschriebene Fahrkarte von dem Marinestützpunkt Olpenitz.

 

Daraufhin schrie er mich an, ob ich ihn verarschen wollte und verlangte sofort meinen Ausweis. Als er diesen in der Hand hatte, schrie er wörtlich, “endlich habe ich so einen Drecksack“ und zerrte mich, wo ich noch im Halbschlaf war aus der Kabine in das Nachbarabteil und schloss mich ein.

 

Ricardo war zwischenzeitlich wach geworden und hatte sich eingemischt. Aber der großgewachsene und überaus gereizte Schaffner sagte zu ihm, er soll sich raus halten sonst würde ihm es nicht anders ergehen, er wüsste bestimmt nicht mit wem er in einem Abteil gesessen hätte. Danach verschwand der Schaffner und kam nach ca. 5 min. zurück

 

Alle Rufe und trommeln gegen die Abteiltür halfen nicht. Fahrgäste, welche durch mein rufen und trommeln wach und aufmerksam geworden waren, wurden ebenfalls von dem Schaffner wieder in ihre Abteile mit den Worten geschickt „bleibt in euren Abteilen, gleich geht es hier rund“.

 

Ich konnte nur aus dem Fenster schauen welches nicht aufgemacht werden konnte.

 

Ich sah, als der Zug kurz vor Neumünster war, eine sehr stark beleuchtete Anlage. Was es war konnte ich zu diesem Zeitpunkt nicht ausmachen.Als wir dann näher kamen sah ich, dass der Bahnhof von Neumünster hell beleuchtet war und überall Polizei und vermummte Einsatzkräfte, wie ich diese nur vom Sondereinsatzkommando her kannte.

 

Als der Zug hielt, stürmten 4 – 5 bewaffnete und vermummte in mein Abteil, zerrten mich raus, warfen mich auf den Boden  im Gang und legten mir Handschellen an.

 

Keiner durfte den Zug verlassen und keiner durfte einsteigen.

 

Wie ein Schwerverbrecher wurde ich aus dem Zug geführt. Als Hugo das Abteilfenster öffnete rief ich ihm zu „sag dem Alten ich komme später“. Während ich das sagte schrie ein Beamter den Ricardo an, “mach das Fenster zu, der kommt nicht mehr“.

 

Bis zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht was das alles soll und warum, ich war völlig Ahnungslos was da abläuft.

 

Auf dem Bahnsteig sah ich, dass dieser Bahnhof von Neumünster hermetisch abgeriegelt war. Da wäre keine Maus unbemerkt auf den Bahnhof gekommen. Auch in dem Gruppentransporter der maskierten Beamten, welche mich abgeführt hatten, erfuhr ich nichts und durfte keine Fragen stellen

 

Ich hatte jegliches Gefühl für die Zeit oder Örtlichkeit verloren. Ich erkannte, dass die Situation, in der ich mich befand Ausweglos war. Wir fuhren ca. 30 min. Als ich aus dem Truppentransporter ausstieg waren wir in einem großen Hof, was einem Gefängnishof gleich kam.

 

In einer Verhörzelle oder Zimmer hatte man mich fast 2 Std. verhört. Ich hatte noch nicht die Antwort auf Fragen beantwortet, da kam schon die nächste Frage und das fast 2 Std. lang.

 

Die meisten Fragen gingen darauf hinaus, woher ich den Bundeswehrausweis habe und wie ich zu den Kleidungsstücken der Marine komme. Meine Antworten wurden ignoriert, auch das bitten den Kommandanten vom Albatros, Kaleu Wolf, anzurufen.

 

Dann wurde das Verhör unterbrochen. Ca. 15 min. später holte man mich mit normal uniformierten Polizeibeamten in ein normales Büro einer Polizeiwache.

 

Mittlererweise war es 09:00 Uhr. Da erfuhr ich weshalb man mich verhaftet hat und was man mir vorgehalten hat.

 

Ich bin auf Grund von einem übereifrigen Schaffner, der sich vermutlich eine golden Nase abholen wollte als ein Mitglied der Bader Meinhoffbande verdächtigt worden, weil zu der damaligen Zeit überall Steckbriefe von den Mitgliedern der Bader Meinhoffbande aushingen. Auf diesen Steckbriefen war ein Mitglied drauf der auch Georg Rauch hieß und der Schaffner dachte ich sei dieses Bandenmitglied.

 

Erst an dem Montagmorgen gegen 09:00 Uhr hatte sich herausgestellt, dass ein großer Irrtum durch diese Verdächtigung entstanden ist und ich bekam von der Polizei ein Schreiben für meinen Kommandanten. Eine Polizeistreife fuhr mich dann bis an das Haupttor vom Marinestützpunkt Olpenitz

 

Der Wachhabende kam mir entgegen und fragte mich, „ bist du der Rauch“ und lachte. Ich bejahte dieses und fragte ob die Boote schon zum Manöver weg seien. Da lachte der noch mehr.

 

Ich hatte die Schnauze jetzt so voll, dass ich den Wachhabenden einfach stehen lies und Richtung Deich ging. Oben angekommen sah ich das das Hafenbecken bis auf den Albatros leer war.Als ich an Bord kam und mich an Bord meldete, kam durch den Oberdecklautsprecher das Kommando „klar machen zum Ablegen, Rauch zum Kommandanten auf die Kammer“

 

Auf Grund dieser Verwechslung bekam ich im Manöver 4 Wochen Wache als Disziplinarstrafe aufgebrummt und Beförderungssperre.

 

Die Begründung dieser Bestrafung:

 

Ich hätte eine Autopanne bei der Anfahrt zu Bahnhof mit einplanen müssen, dann wäre ich rechtzeitig am Bahnhof gewesen und hätte Zeit gehabt den Fahrschein zu lösen